Wien und der Wein – das muss ein Stück vom Himmel sein. Was das Heurigenlied so innig besingt, ist natürlich ein wenig geflunkert. Der Weinbau in der Donaumetropole ist nämlich höchst irdisch und gehört seit einigen Hundert Jahren zur Stadt so wie der Saft zum Gulasch. Als einzige Großstadt der Welt verfügt Wien über ökonomisch bedeutsamen Weinbau. Die Weinbaugebiete prägen in weiten Teilen das Stadtbild und bieten ein attraktives Naherholungsgebiet für die Bewohnerinnen und Bewohner rund um die Stadt, vor allem in den alten Ortskernen der ehemaligen Vorstadtdörfer.
Auf knapp 700 Hektar wird in Wien Wein angebaut. Auf etwa 80 Prozent der Flächen sind Weißwein-, auf 20 Prozent Rotweinsorten angepflanzt, der „Weiße“ dominiert also. Die am häufigsten verwendeten Sorten sind Grüner Veltliner, Rheinriesling, Weißburgunder, Chardonnay und Welschriesling. Pro Jahr werden rund 20.000 Hektoliter Wein in Wien gekeltert. Rund 400 Weinbaubetriebe bewirtschaften die Weingärten. Der Großteil des Wiener Weins wird direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten verkauft, vor allem beim weltberühmten Heurigen. In jüngerer Zeit ist der in Wien gekelterte Rebensaft aber auch prominent in den Regalen der Supermarktketten platziert.
Die Kommune legt jedenfalls auf die Weingartenkultur großen Wert. Um sie zu schützen sind vielfältige Maßnahmen getroffen worden: von Förderungen aus dem Agrarbudget bis hin zum agrarstrukturellen Entwicklungsplan, der ein Bestandteil des Wiener Stadtentwicklungsplans 2005 (STEP 05) ist. Und gibt´s Wetterkapriolen, die den Weinstöcken zusetzen und die Ernte beeinträchtigen, so unterstützt die Stadt mit zusätzlichen Förderungen die Winzer.
Jahrzehntelange Heurigengänger meinen jedenfalls, dass alles nicht mehr so ist, wie es einst war. Vieles ist in Fluss. Schrammelmusik als musikalischer Background, Schmalz und Liptauerbrot als Grundnahrungsmittel zum „Viertelglaserl mit Hengel“ oder der Verzehr von mitgebrachten Resten vom häuslichen Mittagessen – wie früher durchaus üblich – sind nicht mehr überall en vogue – und vor dem Hintergrund der heute in den meisten Heurigenlokalen angebotenen breiten Speisenpalette auch nicht mehr notwendig. Auch das gepresste Viertelglas als Weinbehältnis und die Dickglas-Sodaflasche fristen nur mehr in Randdasein. Sie wurden zum Großteil von designten, langstieligen Achtelgläsern sowie dem stillen oder perlenden Mineralwasser abgelöst.
Die kleinen, ursprünglichen und meistens auch hinsichtlich der Möblierung urtümlichen Heurigen mit streng geregelten Ausschenkzeiten, einem kleinen Speisenangebot, mit schattigem Garten und dem Buschensignet vor dem Eingang gibt´s zwar noch immer in beachtlicher Anzahl, aber man muss sie schon bewusst suchen – oder den Geheimtippgebern Glauben schenken. Immer mehr „Heurigenrestaurants“, die oftmals das ganze Jahr ihre Pforten geöffnet haben, sind an ihre Stelle getreten. In diesen bietet die Speisekarte eine Vielfalt wie sie sonst nur in großen Gasthäusern beziehungsweise Restaurants anzutreffen ist. Dort ist in der Regel auch nicht mehr das Viertel, sondern das Achtel Wein die Maßeinheit für den vinophilen Genuss – und die Auflistung in Gourmetführern Ergebnis der kulinarischen und vinophilen Bemühungen.
Unbestritten ist, dass der Wiener Wein in den letzten Jahren eine deutliche Wandlung erfahren hat. Von der Masse zur Qualitätsklasse. Zwar feiert auch der schon in früheren Zeiten beliebte Wiener Gemischte Satz ein beachtliches Revival und ist wieder zum Leithammel auf der vielschichtigen Palette avanciert, doch auch die weiteren Angebote im klassischen Segment, wie u.a. Veltliner, Rheinriesling und Weißburgunder, können im Konzert mit den Spitzengewächsen aus der Wachau, der Thermenregion, der Steiermark, dem Burgenland oder dem Weinviertel durchaus kräftig mithalten. Was sich nicht zuletzt darin ausdrückt, dass auch Wiener Winzer bei den Weinbewertungen immer mehr Preise einheimsen. Apropos Auszeichnung: Das nächste diesbezügliche Event ist der Wiener Weinpreis am 26. Juni im Wiener Rathaus.
Jedes Jahr kürt das Gastro-Fachmagazin Falstaff mit Hilfe von Tausenden Gästebewertungen auch die besten Heurigenlokale in der Donaumetropole. Dabei sind auch heuer so bekannte und beliebte Heurigen wie unter anderem der Welser und der Mayer am Pfarrplatz in Döbling, der Christ in Jedlersdorf, der Wieninger in Stammersdorf, der Edlmoser und der Zahel in Mauer im Spitzenranking vertreten. Sie gelten bei den meisten Weinliebhabern sozusagen als Flaggschiffe im Wiener Weinbau.
Grinzing, Nussdorf, Neustift, Sievering, Ottakring, Stammersdorf, Jedlersdorf, Strebersdorf, Mauer, Rodaun sind die klassischen wie ebenso klingenden Namen im Wiener Heurigenregister. Dort werden an den Hängen des Wienerwalds beziehungsweise des Bisambergs die Reben für den Wiener Wein gezogen. In den letzten Jahren hat sich auch der am südlichen Stadtrand Wiens der Favoritner Ortsteil Oberlaa als Heurigentreffpunkt einen Namen gemacht. Einige Winzer können mit Stolz auf ihre Eigenbauweine verweisen. Die etwas schwereren Böden und der warme, pannonische Klimaeinfluss bringen reife Trauben für elegante, samtige Weine. Die kleinen aber feinen Heurigenbetriebe ein wenig abseits von der Durchzugstraße am Laaer Berg haben großteils ihre Ursprünglichkeit gewahrt – wer Gemütlichkeit etwas abseits vom Mainstream sucht, ist hier genau richtig.
Paul Hörbiger und seine damaligen Freunde wackeln zwar schon längst nicht mehr mit ihren Dackeln von Grinzing heimwärts und auch das Engagement eines Dienstmannes für Grinzing, der den Weintrinker nummeriert, damit diesem nichts passiert, ist nur mehr eine Reminiszenz an die glorreiche Vergangenheit des ehemaligen Wiener Weinmekkas. Auch sind die Wagen der 38er-Tram längst nicht mehr überfüllt, weil die Engerln – wie im Gassenhauer so erwartungsvoll formuliert wird – auf Urlaub nach Wien-Grinzing kommen. Denn die ehemalige – auch in baulicher Ambiente-Hinsicht – Idylle des Döblinger Weinortes gehört zumindest im oberen Ortsteil bedauerlicherweise seit einigen Jahren der Vergangenheit an. Dort, wo sich Heuriger an Heurigen reihte, steht heute der Suchende vor verschlossenen Türen. Viele Winzer haben ihre Buschenschanken geschlossen und ihre Häuser an Interessenten verkauft, die am durchaus aufwendigen Weinbau kein, dafür am schnellen Euro um so mehr Interesse haben. Ehemals klingende Heurigennamen wie der Reinprecht, das Hauermandl, der Weinbottich etc. sind verschwunden.
Auch im Nachbarort Neustift und in Sievering haben die Immobilienentwickler ein für sie interessantes Betätigungsfeld gefunden. Noch halten einige Winzer und Heurigenlokalbetreiber wie u.a. die Familie Huber wacker die Stellung, doch der Kampf um den Erhalt des ursprünglichen Ortsbildes mit seinen Heurigen ist auch dort das Gesprächsthema Nummer eins.
Trotz aller nicht wegzuleugnenden Probleme befindet sich die Weinwirtschaft in Wien im Aufwind. Etablierte Winzer liefern sich spannende „Duelle“ mit den jungen, aufstrebenden Weinhauern aber auch Quereinsteigern. Zu guter Letzt bleibt die Überzeugung, dass Wien und der Wein doch ein feines Stück vom (Genuss)himmel sind und einen wesentlichen Beitrag zum Wohlfühlfaktor in der Stadt leisten.
Hinweise auf viele Wiener Heurige samt Aussteckkalender gibt es unter anderem auf:
www.wienerheurige.at
www.wienerwein.at
Welser
Probusgasse 12, 1190 Wien
Mayer am Pfarrplatz
Pfarrplatz 2, 1190 Wien
www.pfarrplatz.at/de/startseite.html
Weingut und Heuriger Christ
Jedlersdorf
Amtsstraße 10-14
1210 Wien – Jedlersdorf
www.weingut-christ.at
Heurige Wieninger
Stammersdorfer Straße 78, 1210 Wien
http://heuriger-wieninger.at/
Weingut und Heuriger Edlmoser
Maurer-La, nge-Gasse 1231230 Wien
www.edlmoser.com/de/heuriger-ausgsteckt.html
Zahel
Maurer Hauptplatz 9, 1230 Wien
zahel.at
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